12
Okt
2004

Fortsetzungsroman

Als Albert abends absolut ahnungslos am Abendbrottisch aß, stach ihm seine Lebensgefährtin Britta das stumpfe Kartoffelmesser in den Rücken, drehte es noch zweimal rum und warf es dann auf den Boden. Warum tat sie das? Ein Ausdruck von Zuneigung war das nicht, soviel stand fest. Ihre Verteidigerin sollte später sagen, daß sich Albert auch nicht unbedingt mit dem Rücken zu seiner Lebensgefährtin hätte setzen müssen, aber diese Verteidigungslinie wurde von dem auf der Höhe seiner Kunst befindlichen Staatsanwalt Dr. Peter Brink mit wenigen Kartätschen zusammengeschossen. War also nix damit. Albert war schuldlos an seinem grausamen Ende, darin waren sich auch die das Geschehen eilfertig kommentierenden Schmutz- und Schmierblätter einig. „Armer Albert!“ titelte die BILD-Zeitung, „Lebensgefährte ist doch keine Kartoffel!“ hieß es in der Morgenpost, und noch zahlreiche andere Schlagzeilen sollten folgen. Wir aber, die wir nichts auf derlei oberflächliches Geschmier geben, fragen uns, was wohl dahinter stecken mochte. Die Antwort auf diese Frage ist von geradezu existentieller Bedeutung, würde sie nicht gefunden, hieße das für alle Lebensfährten, von nun an in jedem Augenblick der höchsten Lebensgefahr ins Auge sehen zu müssen, denn wer wollte schon für seine Lebensgefährtin beliebig lange die Hand ins Feuer legen. Nun könnte man sagen, daß das ja schon im Wort „Lebensgefährte“ selbst enthalten sei, daß man sich also nicht so anstellen solle. ABER WIR WERDEN UNS NICHT DAMIT ABFINDEN; ALS LEBENSGEFÄHRTEN MIT KARTOFFELMESSERN ATTACKIERT ZU WERDEN, NEIN, DAS WERDEN WIR NICHT! – Eine Analyse muß also her, oder besser noch: ein dichterische Gestaltung dieser blutigen Greueltat, die uns in nachgerade mimetischer Anverwandlung an Opfer, Täter und Kartoffelmesser ins Herz der Finsternis führt und die Tat wenn nicht verständlich, so doch zumindest – ja, was: unverständlich, nein, entschuldbar, nein, auch nicht, nachvollziehbar, ja, also in gewissem Sinne doch verständlich macht. Warum auch nicht. Da wir aber nicht alle Zeit der Welt haben, kann es sich dabei nur um einen FORTSETZUNGSROMAN handeln, der tatsächlich soeben das Licht der Welt erblickt hat und noch nicht ganz trocken hinter den Ohren in die Kamera blinzelt. Hier bin ich, scheint er zu sagen, aber er kann noch nicht sprechen, bzw. noch nicht sehr viel. Aber das wird schon werden.

Fortsetzung folgt...
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